Ein Käse namens Gouda – die Suche nach dem Original
Maître Philippe & Filles sind ja eher für französische Käse bekannt und das soll auch gern so bleiben. Allerdings munkelt man, dass die Holländer in Sachen Käse auch ganz passable Ergebnisse zustande bringen …
Der berühmteste holländische Käse ist der Gouda, ein großer runder Hartkäse aus Kuhmilch, möglichst ohne Löcher, der aus dem gleichnamigen Dörfchen in den Niederlanden stammt, oder zumindest danach benannt ist. Die Bezeichnung selbst ist nicht geschützt, weswegen überall auf der Welt Gouda hergestellt werden kann und wird. Dass die Qualität dabei nicht immer stimmt, liegt daher nahe.
Gouda gibt es in jung, mittelalt, alt, aus pasteurisierter Milch, in Scheiben … Man bekommt ihn in jedem Supermarkt-Discounter … doch es gibt auch noch Produzenten, die ihn auf traditionelle Weise aus Rohmilch herstellen. Den kann man dann am Stück und in toller Qualität im Fachhandel bekommen.
Auch wir zählen zu unseren wenigen ausgesuchten Nicht-Franzosen einen echten holländischen Gouda, aktuell einen, der dreißig Monate reifen durfte!
Doch wo kommt der Gouda nun eigentlich her? Und gibt es im gleichnamigen Ort noch Bauern, die ihn auf traditionelle Weise herstellen?
Um das herauszufinden, bin ich mit einem Filmteam von Kabel Eins nach Holland gefahren. Für die Sendung „Abenteuer Leben – täglich neu erleben“ wollten wir „das Geheimnis des echten Gouda“ lüften und haben uns auf die Suche nach dem sogenannten Boerenkaas (Bauernkäse) gemacht. Fündig geworden sind wir bei der Familie De Jong, die auf ihrem Hof Jongenhoeve seit Generationen Kühe halten und aus der eigenen Milch ihrer derzeit 440 Kühe echten Boerenkaas, Käse aus Kuhrohmilch herstellen. So wie man bei französischem Käse zwischen „fermier" und „artisanal" unterschiedet, gibt es auch in Holland die Kategorien „farmers cheese“ und „farm cheese“. Farmers cheese bedeutet, dass der Bauer die Rohmilch der eigenen Kühe verwendet, die einen Teil des Jahres im Freien leben, was ihrer Milch natürlich ein besonderes Aroma verleiht. Farm cheese ist Käse, der vom Bauern aus pasteurisierter Milch hergestellt wird, die dieser einkauft, da er selbst keine eigenen Tiere hält. Und dann gibt es natürlich noch den industriell gefertigten Käse, der aus pasteurisierter Milch in großen Anlagen hergestellt wird und für den die Milch in rauen Mengen von überall eingekauft wird.
Um uns einzustimmen, besuchten wir am ersten Tag zunächst den traditionellen Käsemarkt in der Altstadt von Gouda – eine Art Freiluft-Theaterinszenierung traditioneller Markt- und Handelsszenen, die für die Touristen 2 Mal wöchentlich stattfindet und inklusive Meisjes und Holzpantinen alles bietet, was die hungrige Kameralinse begehrt.
An Tag zwei ging es dann endlich in medias res: morgens um 8 Uhr fuhren wir auf den Hof der De Jongs, den Jongenhoeve, um uns von Nahem anzusehen, wie Gouda auf traditionelle Weise hergestellt wird. Die De Jongs halten 440 Kühe, die 2 Mal am Tag gemolken werden. Der Ertrag liegt bei ca. 13.000 Kilo Milch am Tag, aus denen man 1.300 Kilo Käse machen kann.
Für die Herstellung des Gouda werden – ganz egal ob traditionelles Familienunternehmen wie in unserem Fall, oder industrielle Großanlage – eigentlich immer die gleichen Schritte befolgt.
Die Käseproduktion Schritt für Schritt:
- die (frisch gewonnene) Milch wird in einen Bottich gelassen.
- Bakterien, Kalzium und Lab werden zugegeben, was die Milch zum Gerinnen bringt: die Milch stockt blitzschnell nach Zugabe des Labs und dann teilt sich der sogenannte Bruch (die gestockte Milch) von der Molke.
- Große Messer fahren wieder und wieder durch den Bottich und schneiden den Bruch in immer kleinere Stückchen. Irgendwann sieht das Ganze aus wie eine chinesische Eierblumensuppe, nur eben in Weiß.
- die Molke wird abgepumpt, um unerwünschte Proteine und Fette loszuwerden, und nur diejenigen zu behalten, die für den Käse gebraucht werden. Auf Jongenhoeve wird die Molke für die Schweinemast verwendet, andere Farmen verkaufen sie an Firmen, die Muskelaufbaupulver für Bodybuilder herstellen. Sie ist nämlich überaus reich an Proteinen, die für den Muskelaufbau wertvoll sind.
- Jetzt wird erneut Wasser zum Bruch gegeben und dann wird das Ganze erneut zerschnitten, mit etwas feineren Käseharfen.
- die Masse wird von Hand (bzw. unter Einsatz der ganzen Armkraft) in Formen gepresst, deren Unterseite gelöchert ist, damit die überschüssige Flüssigkeit abfließen kann.
- die Leiber werden mit einem Label aus Papier versehen, das Aufschluss über Herkunft und Güteklasse gibt.
- die Käse werden gepresst, gewendet und wieder gepresst (Dauer variiert je nach Größe)
- die Käse kommen in ein Salzbad, wo sie abhängig von Größe, Gewicht, Dichte und Würzung (pur oder z.B. mit Kräutern etc.), bleiben. Dieses Salzbad und die im Käse enthaltenen Bakterien, die erst nach einer Weile anfangen, ihre Wirkung zu tun, sind dafür verantwortlich, dass der ursprünglich geschmacklose Bruch irgendwann herrlich würzig, aromatisch, buttrig … nach Käse schmeckt. Dieses Salzbad wird übrigens nie gewechselt, da das Wasser so absolut mit Salz gesättigt ist, dass es keines mehr aufnehmen kann. Dadurch ist es auch steril. Es kann sich darin nichts ungewolltes entwickeln und auch die im Käse enthaltenen Bakterien können ihm nichts anhaben. Die Lake ist also auch einer der Gründe, warum Käse von verschiedenen Höfen einen besonderen, für ihren Hof charakteristischen Geschmack aufweisen, auch wenn sie doch alle „nur auch Milch“ gemacht werden.
- die Käse werden auf Holzbretter gebettet und mit flüssigem Plastik eingepinselt. Dieses Plastik hat das früher verwendete Wachs ersetzt, was zunächst erstaunt, doch einleuchtende Gründe hat: das Plastik lässt den Käse nämlich noch atmen, da es sowohl Feuchtigkeit als auch Luft durch lässt, während Wachs den Käse hermetisch absiegelt. Wieder was gelernt.
- Jetzt beginnt die Reifung im Käselager, die verschiedentlich lang dauert.
Ich durfte mich am Formen der Käse versuchen und muss zugeben, dass es eine ganz schön anstrengende Angelegenheit ist. Vor allem ist es nicht so einfach, die richtige Dichte und das richtige Gewicht einzuschätzen. Das Standardgewicht sind 10 Kilo, aber die De Jongs produzieren auch 60Kilo-Leiber, sowie kleinere Leiber von 1, 2 und 5 Kilo.
Der Bruch schmeckt übrigens erstaunlich: nämlich nach nichts. Ich hätte erwartet, dass er wenigstens milchig schmeckt, aber davon ist wirklich keine Spur. Ich musste mehrmals nachschmecken, so irritiert war ich zunächst. Man meint tatsächlich, das Gehirn spielt einem einen Streich. Zumal der Bruch aussieht, wie ganz weißes Rührei und eine ulkig gummi-artig weiche Konsistenz hat.
Nachdem ich in der Produktion hospitieren durfte, besuchte ich Frau De Jong in der angrenzenden eigenen Hofboutique, deren Türglocke während unseres Besuchs übrigens kaum stillstand. Der Käse der De Jongs erfreut sich also ganz offensichtlich großer Beliebtheit!
Am beliebtesten bei den Kunden ist der mittelalte Gouda von zwei Jahren, knapp vor den ganz jungen mit Kräutern gewürzten Käsen: Gouda mit Kümmel, mit Bockshornklee oder mit Paprika, Basilikum und Knoblauch. Weniger gefragt, aber umso edler sind die 5-jährigen Leiber, die unter dem Dach in einem großen Lager vor sich hin reifen.
Ich habe ein Stück vom 2-järigen und ein Stück vom 5-jährigen Gouda mitgebracht, um ihn zuhause in Berlin und mit unserem Team zu verkosten.
Auf Empfehlung von Frau De Jong verkosteten wir den ganz alten Gouda mit Portwein und dann auch mit unserem guten Madeira. Unser Fazit: der 2-jährige Gouda schmeckte wirklich wunderbar – würzig, aromatisch und charakterstark. Kein Vergleich mit traurigem Gouda aus dem Supermarkt, vor allem nicht mit der langweiligen jungen Variante. Der 5-jährige Gouda hingegen schmeckte schon sehr speziell: fast alkoholisch und wirklich sehr sehr würzig. Nichts für Anfänger! In kleine Stückchen gebrochen (er ist so hart, dass er beim Schneiden wie ein Parmesan zerbröckelt) harmoniert er ausgesprochen gut mit Portwein.
Am besten schmeckte er uns allen mit dem köstlichen Tawny-Portwein von Rita Marques Ferreira (Conceito Vinhos). Eine Kombination für Fortgeschrittene, die Lust auf ein außergewöhnliches Umami-Erlebnis haben.
Für alle, die Lust auf einen gereiften Gouda haben, der nichts mit dem plastikartigen Supermarkt-Käse zu tun hat, haben wir aktuell einen 30 Monate gereiften Rohmilch-Gouda aus Holland im Angebot.
Er wird, ebenso wie der Käse vom Jongenhoeve aus Kuhrohmilch und auf traditionelle Weise hergestellt.
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Epilog:
Rund einen Monat nach dem Besuch auf Jongenhoeve haben wir uns bei Sachsenmilch in der Nähe von Dresden angesehen, wie industrieller Gouda hergestellt wird. Die eigentlichen Arbeitsschritte sind auch hier in der größten Molkerei Europas (!) eigentlich die gleichen, jedoch ist alles standardisiert und hochtechnologisiert und man bekommt vor lauter Maschinen weder Milch noch den eigentlichen Prozess der Käseherstellung zu Gesicht. Bei einem Durchlauf von zwischen 4,8 bis 5,2 Millionen Litern Rohmilch am Tag ist das aber auch kein Wunder. Die Milch wird durch eine Flotte von 190 LKW von verschiedenen Bauernhöfen in Deutschland und den Niederlanden angeliefert und für die weitere Verarbeitung zentrifugiert und pasteurisiert. Rund 350 Mitarbeiter arbeiten in der Käseproduktion und produzieren 50.000 Tonnen Käse im Jahr!
Dass das eine ganz andere Erfahrung war, muss ich wohl nicht extra betonen. Spannend war es trotzdem alle Mal.
Hier noch ein paar Impressionen:
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Die ganze Abenteuer Leben-Sendung finden Sie online in der Kabel Eins-Mediathek.