Auf der Spur der Salzblume – Erntedankfest mit Hindernissen
Für meinen inzwischen schon vierten Dreh für die Kabel Eins-Sendung "Abenteuer Leben täglich", ging es Anfang Juli auf die Île de Ré. Diese wunderschöne Insel in der Bretagne ist angeblich nach Korsika der Ort in Frankreich mit den meisten Sonnenstunden. In diesem Jahr war das Wetter jedoch leider nicht so verlässlich, was einen direkten Einfluss auf die Existenz der vielen Salzbauern hat, die auf der Insel leben und arbeiten und in ihren sogenannten Salzgärten die Fleur de sel (Salzblume) herstellen. Fleur de sel ist ein ganz besonders feines Salz, das geschmacklich sehr delikat ist, nicht zum Kochen verwendet wird, sondern die Speisen ganz sanft veredelt. Wie die Produktion im Einzelnen aussieht, was man dabei beachten muss und was das Besondere an diesem berühmten Salz ist, das wollten wir herausfinden und so statteten wir Maud Alexandre und James Reno, den beiden Salzgärtnern von „Le comptoir des Pertuis“, deren Fleur de sel wir auch in unserem Sortiment führen, einen Besuch ab.
Maud und James stammen eigentlich vom Festland und hatten sehr lange überhaupt nichts mit Salz zu tun. Maud ist gelernte Grafikerin (sie kümmert sich auch um das Verpackungsdesign und die eigene Homepage), während James Licht- und Sounddesigner ist. Kennen- und lieben gelernt haben sich die beiden in der Event-Szene. Auf die Insel sind sie erstmals 2001 gekommen, um im Salzgarten eines Freundes zu arbeiten. Diese Zusammenarbeit dauerte mehrere Jahre und dann war den beiden klar, dass sie im Salz und auf der Insel ihre Zukunft sahen. Sie fanden einen verlassenen Salzgarten, den sie ab 2007 instand setzten. 2009 konnten sie dann schließlich mit der Produktion beginnen.
Als wir ankamen sah es mit der Produktion jedoch gar nicht gut aus: durch das schlechte Wetter, das in den Tagen vor unserer Ankunft herrschte, hatte sich keine nennenswerte Salzkruste gebildet – es gab so gut wie nichts zum Ernten! Wir begannen also, Stoßgebete an Petrus zu schicken (Maud und James sprechen in diesem Zusammenhang immer von Dame Nature, also Mutter Natur), er möge die nächsten Tage konstant sonnig sein lassen und schauten uns alles andere an, was neben dem Ernten noch zur Salzproduktion gehört: das Reinigen des Salzes mit Hilfe eines speziell für diesen Zweck umgebauten Staubsaugers, das Mischen der Kräuter- und Gewürzsalze, das Abpacken, die Boutique …
Am Abend kochte James für uns alle und das war ein richtiges Festessen! Es gab Entenbrust mit Kartoffeln von der Insel, dazu angeschmorte Äpfel, alles mit Fleur de sel abgeschmeckt. Zur Vorspeise die schönste Kombination des Sommers: eine schön reife Honigmelone, bestreuselt mit einer Prise Fleur de sel. Manch einer kennt den Trick vielleicht bereits – ich selbst wende ihn gern auf Ananas oder Wassermelone an: das Salz, das ja ein natürlicher Geschmacksverstärker ist, zieht Flüssigkeit und Geschmack aus der Frucht und sorgt dafür, dass alles – und in dem Fall die herrlich reife Melone – noch saftiger und aromatischer schmeckt.
Auch der Hauptgang profitierte eindeutig von der delikaten Extra-Zutat: die Kombination aus Süß und Salzig war sehr gelungen. Merci James!
Am nächsten Tag sah es dann schon viel besser aus, anscheinend waren unsere Gebete erhört worden: da am Vortag durchgehend die Sonne geschienen und es nicht geregnet hatte, hatte sich in den Wasserbecken des Salzgartens die Salzblume zu formen begonnen. Der Dreh war gesichert!
Aber, warum reite ich eigentlich immer auf dem Wetter herum? Weil mit dem Wetter die Ernte steht und fällt!
Die Salzblume wird aus Meerwasser unter freiem Himmel in sogenannten Salzgärten (frz. marais) hergestellt und bildet sich nur unter ganz bestimmten Bedingungen: sie braucht Sonne und hohe Temperaturen, einen bestimmten thermischen Wind und es darf unter keinen Umständen regnen oder sonst eine zu hohe Luftfeuchtigkeit bestehen. Wenn auch nur ein Faktor nicht passt oder auf zwei schöne Tage ein Regentag folgt, ist alles zunichte gemacht. Dann heisst es wieder warten. Und beten. Wenn man sich das einmal vor Augen führt, wird einem schnell klar, dass die Produktion der Salzblume stark von der Natur und auch vom Zufall abhängt. Das, ihre aufwändige Gewinnung und natürlich ihr besonderer Geschmack erklären dann auch den im Vergleich zu industriell gefertigtem oder Steinsalz höheren Preis.
Der Salzgarten selbst besteht aus drei Teilen:
1) einem Wasserreservoir, das direkt aus dem Meer gespeist wird. Das ist ein großes Becken mit einer Klappe am Boden, deren Deckel sich öffnet, wenn der Druck der Flut groß genug ist. Dann strömt das salzige Meerwasser hinein.
2) Dieses Reservoir ist verbunden mit dem nächsten Teil, der Heizanlage: diese besteht aus einem gewundenen Kanalsystem, deren Kanäle bzw. Becken immer flacher werden. Hier schlängelt sich das Wasser hindurch und wird erstens durch die Fließgeschwindigkeit aufgewärmt, zweitens durch die Sonne, die das Wasser in den immer flacher werdenden Becken aufwärmt. Hier regelt sich nun der Salzgehalt: im letzten Becken dieser Anlage beträgt der Salzgehalt 270 Gramm auf 1Liter. Im Vergleich: das "normale" Meerwasser hat 30 Gramm auf 1 Liter!
3) Von hier wird die hochkonzentrierte Salzlake in den eigentlichen Salzgarten geleitet, der aus mehreren Becken besteht, die durch ein ausgeklügeltes System von Hähnen miteinander verbunden sind. Hier bildet sich nun die Fleur de sel, die begehrte Salzblume.
Geerntet wird die Fleur de sel mithilfe eines besonderen Rechens, den man ganz sanft unter die Salzschicht schiebt. Dabei muss man aufpassen, dass man nicht den Boden des Beckens berührt oder aufwirbelt, denn der besteht aus Lehm. Wenn dieser aufgewirbelt wird, verfärbt sich die Salzblume, ist nicht mehr rein und weiß und kann nicht als solche verkauft werden. Außerdem bildet sich am Beckenboden das grobe Meersalz, das ebenfalls nichts in der Salzblume zu suchen hat.
Das geerntete Salz, das hier noch voll von Lake und sehr feucht ist, wird mit der Schublade zur Trockenanlage transportiert. Von Lake durchtränkt duftet es noch intensiver als wenn es schließlich getrocknet ist. Es hat dann einen wirklich blumigen und unglaublich aromatischen Duft. Außerdem kann es vorkommen, dass es leicht rosa gefärbt ist, was an kleinen planktonartigen Mikro-Organismen liegt, die sich im Wasser befinden, mit dem Austrocknen jedoch absterben, so dass auch die Verfärbung verschwindet.
Das Trocknen geht gewissermaßen von allein und dauert meist nur eine Nacht. Am nächsten Tag kann die Fleur de sel dann schon weiter verarbeitet werden. Viel ist allerdings gar nicht mehr zu tun, denn das Naturprodukt ist jetzt schon so gut wie fertig. Maud und James haben allerdings einen sehr hohen Anspruch an die Qualität ihres Produkts, weswegen jetzt noch der vorhin bereits erwähnte Spezialstaubsauger zum Einsatz kommt. Mit dem werden kleinste Unreinheiten aus dem Salz gesaugt. Und dann muss eigentlich nur noch abgefüllt werden. Für Kräuter- und Gewürzsalze, wie z.B. die Blumen-Mischung „Fleur d’helios“ (mit Rose, Korn- und Ringelblume) gibt Maud entsprechende trockene Zubereitungen zum Salz. Ich durfte auch selbst mitmischen und konnte dabei eine spannende Verwandlung beobachten: im getrockneten Zustand riechen die Blumen eher nach Tee oder Heu als nach Blumen. Doch schon nach kurzer Zeit, nehmen sie die Feuchtigkeit auf, die noch in der Fleur de sel steckt und schon duften sie wieder frisch blumig.
Und damit habe ich schon einen der Qualitätsmerkmale der Fleur de sel benannt: zum einen zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie immer einen Rest Feuchtigkeit behält, der ihr ihr besonderes (blumiges) Armenbouquet verleiht. Damit das Salz nicht an den Fingern kleben bleibt, wird auch oft ein kleines Löffelchen zum Dosieren verwendet. Ein zweites Qualitätsmerkmal ist ihre Struktur: die Salzblume besteht aus lauter sehr feinen Kristallen, die unter der Lupe wunderschöne geometrische Formen haben und in denen sich das Licht regenbogenfarben bricht. Ein drittes Merkmal ist ihre "Feinkrümeligkeit": man muss sie zwischen den Fingern verreiben können.
Geschmacklich unterscheidet sie sich von industriell gewonnenem Salz dadurch, dass sie sehr viel weniger aggressiv und sehr viel runder im Geschmack ist. Sie ist reich an Magnesium und vielen Spurenelementen und veredelt als natürlicher Geschmacksverstärker jede Speise.
Dazu gehört auch Süßes, wie wir ja auch bei unserem gemeinsamen Abendessen mit Maud und James schon schmecken durften. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass gerade in der Bretagne, wo auch Butter meist gesalzen ist (kleiner Tipp: unsere fantastische gesalzene Rohmilchbutter sollten Sie auch unbedingt probieren), viele Süßigkeiten mit Salz angereichert werden, um ihren Geschmack zu intensivieren. Neben den fabelhaften und üppig buttrigen typisch bretonischen Galettes und Palets mit Fleur de sel (gibt’s auch bei uns im Laden), ist auch Karamell mit Fleur de sel eine regionale Spezialität. Die gibt es in allen möglichen Formen: als Bonbons, als Pralinés oder Coulis und streichfähige Karamellcreme für Desserts aller Art, für das Frühstücksbrötchen oder auch einfach so.
Um zu sehen, wie die crème caramel au beurre salé hergestellt wird, besuchten wir an einem Nachmittag die Fabrik von Île de Ré chocolats in la Rochelle und durften zusehen, wie aus Zucker, Butter, Milch und … Salzblume eine sündhaft duftende braune Masse wurde, die dann alle nur erdenklichen Formen annahm. Während die Jungs vom Kamerateam filmten und die anderen Jungs in der Fabrik ihre Arbeit machten, hatte ich das Vergnügen, mit Eric, dem Direktor, durch die Anlage zu spazieren, mir alles anzusehen und alles zu probieren, was Eric mir en passant reichte. Dazu lag natürlich überall ein süßlich-salzig-buttriger Duft in der Luft ... kurzum: es war einfach himmlisch!
Nach einem schwierigen Saison-Start hat sich der Sommer für Maud und James übrigens sehr gut entwickelt: sie haben den halben Juli und den ganzen August quasi durchgearbeitet und dabei so viele Tonnen Salz produziert, dass sie sich bis zur nächsten Saison keine Sorgen mehr machen müssen. Nach all der harten Arbeit haben sich die beiden Anfang September einen kleinen Urlaub gegönnt und wir drücken ihnen die Daumen, dass „Dame Nature“ ihnen auch in Zukunft weiter wohl gesonnen sein möge und sie diesem anstrengenden, aber zweifellos wunderschönen Beruf noch viele Jahre glücklich zusammen nachgehen können.
Wir kommen bestimmt gern einmal wieder auf die Insel …
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Da mir diesmal leider mein Gerätespeicher einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, gibt es an dieser Stelle kein eigenes Video zur Reise. Wer aber Lust hat, sich den dazu gehörigen Film anzusehen, kann dies in der Kabel Eins Mediathek tun. Viel Spaß beim Zuschauen!